„Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt. Denkt […] an die Misshandelten, denn auch ihr lebt noch in eurem irdischen Leib” (Hebr 13,2-3).

Die Nationen Europas und die Kirchen stehen bei der Flüchtlingskrise vor einer großen Herausforderung. Ungefähr drei Millionen Menschen aus Afrika und Asien haben die Grenzen der Europäischen Union überschritten. Manche flüchten vor dem Krieg und religiösen Verfolgungen, andere sind auf der Suche nach einem besseren Leben.

Die aktuelle Situation stellt das Konzept der Zusammenarbeit der Länder im Rahmen der Europäischen Union auf die Probe. Man kann eine Polarisierung der Einstellungen beobachten, hinsichtlich der Art und Weise, wie man mit der Flüchtlingskrise umgeht. Diese Herausforderung betrifft auch Polen.

Die Pflichten der Christen bei diesem Thema leiten sich aus der Offenbarung Gottes und der Tradition der Kirchen ab. Im Buch Genesis liest man, dass Abraham, als über das Land, indem er lebte, eine Hungersnot kam, nach Ägypten ging, um dort zu bleiben (vgl. Gen 12,10). Auch der Patriarch Jakob zog auf Anweisung Gottes mit der ganzen Familie und dem Besitz nach Ägypten, um dort vor dem Hungerstod die Rettung zu finden (vgl. Gen 42,1-6; 46,1-7). Das Schicksal eines Flüchtlings teilte auch unser Herr Jesus Christus mit seiner Familie, als sie vor dem Zorn des Herodes flohen (vgl. Mt 2,13-15). Die Aufgabe der Kirchen besteht darin, die Herzen zu erziehen, welche durch konkrete Taten der Barmherzigkeit, den Leidenden und denjenigen, die vor Krieg, Verfolgung und Tod flüchten, zur Hilfe zu kommen. Diese Haltung von Christen gegenüber anderen Menschen war seit dem Anfang der Kirche ihr besonderes Kennzeichen.

Unser Land diente oft denjenigen zur Zuflucht, die vor Verfolgung flüchten mussten. In der Zeit der Jagiellonen wurde unser Land durch seine Gastfreundschaft berühmt. Nach dem Verlust der Unabhängigkeit erfuhren auch Polen Gastfreundschaft in anderen Ländern. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfuhren Polen Hilfe von den Ländern Westeuropas. Zehn Jahre später erfuhren Weißrussen, Ukrainer und Tschetschenen die polnische Gastfreundschaft. Diese Gastfreundschaft zu vermitteln und aufrechtzuerhalten sollte ein Ausdruck der christlichen Sensibilität und nationalen Tradition sein.

Es steht außer Frage, dass man das Flüchtlingsproblem in Polen und in Europa nur lösen kann, wenn die Menschen guten Willens auf vielen Ebenen zusammenarbeiten. Man benötigt Großzügigkeit und Vernunft, eine Öffnung des Herzens und eine Gesetzgebung, welche den Respekt gegenüber der Würde der eigenen Bürger und derjenigen, die um Hilfe bitten, garantiert.

Die Christen müssen nach einer Zusammenarbeit mit den entsprechenden Organen der Staatsgewalt und den sozialen Organisationen streben. Nur eine große humanitäre Aktion und die Berücksichtigung der politischen und wirtschaftlichen Gründe der aktuellen Schwierigkeiten können zu einer wirklichen Verbesserung der Situation führen. Möge dies auch ein Impuls sein für die Entwicklung des Freiwilligendienstes auf der Ebene unserer Pfarreien, um die aktuellen Problemen erfolgreich und verantwortlich zu bewältigen.

Wir können nicht die Hauptursachen für die aktuelle Flüchtlingskrise übersehen, nämlich die Kriege im Nahen Osten und in Afrika. Daraus folgt die Notwendigkeit des Gebets um Frieden, alle denkbaren Wege der Konfliktlösung und der ununterbrochene Gewissensappell an die Regierenden. Viele Menschen sind in ihren Ländern geblieben und warten darauf, dass unsere Hilfe sich direkt an die geschädigten Gebiete richtet. Gleichzeitig müssen wir uns um diejenigen kümmern, welche entschieden haben, das Land ihrer Väter zu verlassen. Wir rufen die Gläubigen unserer Kirchen auf, im Gebet zu verbleiben und den Bedürftigen Hilfe zu leisten. Lassen wir nicht in der Bestrebung nach, die aktuelle Krise zu überwinden.

Wir vertrauen darauf, dass Gott uns offene Augen des Herzens geben wird, so dass wir der Worte Christi mit evangelischer Liebe gewachsen sind: „Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen” (Mt 25,35).

Warschau, den 30. Juni 2016

Im Namen der Kirchen, die im Polnischen Ökumenischen Rat organisiert sind, und der Polnischen Bischofskonferenz

/Pastor Leszek Wakuła/
Presbyter des Zentralbezirk der christlichen Kirche der Baptisten in Polen

/Bischof Jerzy Samiec/
Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen

/Bischof Andrzej Malicki/
Generalsuperintendent der Evanglisch-Methodistischen Kirche in Polen

/Bischof Marek Izdebski/

Bischof der Evangelisch-Reformierten Kirche in Polen

/Bischof Wiktor Wysoczański/
Bischof der Polnisch-Katholischen Kirche in Polen

/Bischof Marek M. Karol Babi/
Generalbischof der Altkatholischen Kirche der Mariawiten in Polen

/Metropolit Sawa/
Metropolit von Warschau und ganz Polen der Polnisch-Orthodoxen Kirche.

/Erzbischof Stanisław Gądecki/
Vorsitzender der Polnischen Bischofskonferenz

Podpisanie Przesłania Kościołów w Polsce w sprawie uchodźców, 30 VI 2016

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