Appel der Polnischen Bischöfe in Sachen Frieden

Brüder und Schwestern der einen Menschheitsfamilie!

1. Der Friede ist ein Geschenk des auferstandenen Christus. Friede, das ist das erste Wort, das die Apostel von Christus nach seinem Sieg über den Tod hörten (Vgl. Joh 20,19). Der Friede, den Christus gibt, stützt sich auf die Botschaft, die er selbst der Menschheit bringt: "Den Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch" (Joh 14,27). Somit ist der Friede, der durch den auferstandenen Christus gewährt wird, die Versöhnung des Menschen mit Gott, mit der Welt und mit dem Nächsten, er ist die Überwindung der Sünde als der Hauptquelle von Zwietracht und Krieg. Erst der mit Gott und den Menschen versöhnte Mensch kann ein wirkungsvoller und glaubwürdiger Zeuge sein, der Frieden stiftet durch die Wahrheit in Liebe. Der Friede ist immer eine Frucht der Gerechtigkeit im religiösen, gesellschaftlichen und politischen Bereich. Er ist auch die Frucht zwischenmenschlicher Solidarität. Der Friede ist ohne die gegenseitige Vergebung nicht erreichbar. Nur auf diese Weise kann man nach dem übergeordneten Gut suchen, das das Zusammenleben und die Zusammenarbeit der Völker und Nationen ausmacht, vor allem dort, wo sie in einander benachbarten Gebieten leben. Vielfach schon konnte sich die Menschheit im Laufe der früheren wie der neusten Geschichte davon überzeugen, daß der Krieg meistens durch Egoismus entsteht, und selbst wenn er zu Verteidigungszwecken geführt wird, bringt er imense Zerstörungen mit sich und verursacht tiefe menschliche Verletzungen.

2. Die Menschheitsfamilie, die durch gemeinsame Abstammung vom Schöpfergott verbunden ist, muß heute, da die Vernichtungsmittel unberechenbare Konsequenzen verursachen, Gewalt und Terror als Mittel zur Lösung von Konflikten ausschließen, vor allem wenn diese im Namen Gottes betrieben werden. Dank der Massenmedien kann sich heute jeder Mensch auf Erden davon überzeugen, daß die Verursachung von Konflikten aus Gründen von Ansprüchen sowie aus rassistischen oder religiösen Gründen immer zur Verletzung von grundlegenden Menschenrechten führt und allgemein als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen werden muß.

3. Der langwährende Konflikt auf dem Balkan, die Kriege auf dem afrikanischen Kontinent, und kürzlich der blutige Konflikt im Heiligen Land machen uns allen bewußt, daß nur ein gerechter Friede, der die Völker und Nationen als Subjekt und ihre daraus resultierenden Rechte respektiert, in der Lage ist, die Menschenrechte zu garantieren,

4. Wir, die Polnischen Bischöfe, Söhne des Volkes, das vor allem in den letzten zweihundert Jahren so viel Leid erfahren hat, appellieren an die verfeindeten Parteien im Land unseres Herrn Jesus Christus, im Land, das den Bekennern des einen Gottes lieb und teuer ist, unverzüglich die Kriegshandlunen einzustellen. Erforderlich ist die Anerkennungdes Rechts auf einen eigenen Staat der Palästinenser und Israels. Unverzichtbar sind sofortige internationale Maßnahmen, die den Frieden in diesem Teil der Welt dauerhaft machen würden.

5. Wir sind in das neue einundzwanzigste Jahrhundert, in das neue dritte Jahrtausend des Christentums eingetreten. Zu beginn dieses Jahres hat der Heilige Vater in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag geschrieben: Die Stützpfeiler des wahren Friedens sind die Gerechtigkeit und jene besondere Form von Liebe, wie sie die Vergebung ist (Nr. 2).

6. Nach Beendigung des dramatischsten aller Kriege, in dem viele Menschen durch Kampfhandlungen umkamen und Millionen anderer nur deshalb ermordert wurden, weil ihnen die nazistische oder kommunistische Ideologie kein Lebensrecht zugestand, appellieren wir im Namen des Humanismus, wir, die Generation des einhundzwanzigsten Jahrhunderts, gestützt auf die Werte des Evangeliums, sämtliche Kriegshandlungen zu beenden, besonders im Heiligen Land, das Christen, Juden und Moslems lieb und teuer ist. Dieses Land, in dem heute die fundamentalen Menschenrecht verletzt werden, und die heiligen Stätten, wie die Geburtskirche in Betlehem, zur Arena von blutigen Auseinandersetzungen geworden sind, muß zum Symbbol eines echten Dialogs, eines friedlichen Zusammenlebens und einer friedlichen Zusammenarbeit von Völkern und Nationen werden, die nur einen Gott anerkennen. Mögen die dort lebenden Menschen sich als Brüder fühlen und einander freundschaftlich die Hand reichen. Wir wollen hier noch einmal die Worte aus der schon zitierten päpstlichen Botschaft in Erinnerung rufen: "Der wahre Friede ist daher eine Frucht der Gerechtigkeit, sittliche Tugend und rechtliche Garantie, die über die volle Achtung der Rechte und Pflichten und über die gerechte Aufteilung von Nutzen und Lasten wacht. Da aber die menschliche Gerechtigkeit, die nun einmal den Grenzen und Egoismen von Personen und Gruppen ausgesetzt ist, immer zebrechlich und unvollkommen ist, muß sie in der Vergebung, die die Wunden heilt und die tiefgehende Wiederherstellung der gestörten menschlichen Beziehungen bewirkt, praktiziert und gewissermaßen vervollständigt werden" (Nr. 3).

7. Wir sind uns dessen bewußt, daß der Friede auch Konzessionen verlangt, die schwierig, ja sogar schmerzlich sein können, aber die Alternative ist die Sinnlosigkeit des Lebens in dauernder Bedrohung. Für alle Menschen bedeutet dies Lahmlegung des gesellschaftlichen, öffentlichen und besonders des familiären Lebens. Mehr noch! Eine solche dramatische Situation nimmt Einfluß auf die Erziehung der jungen Generation, die, wenn sie im Klima eines fortwährenden Konflikts aufwächst, die Kette des Absurden verlängert, was zu weiteren Verbrechen führt, in denen Kinder benutzt werden, die Opfer des Hasses sind, der durch Erwachsene geschürt wird.

8. Die katholische Kirche erfüllt ihre Evangelisierungsmission in Polen im Herzen Europas seit tausend Jahren. Unser Kontinent, der sich heute zusammenschließt, möchte seine Zukunft auf einem gesunden christlichen Humanismus errichten. Wir appellieren an alle Menschen guten Willens, sich einzubringen in dieses große, brüderliche, solidare Zusammenwirken für den Frieden unter allen Menschen auf der ganzen Erde. Das zusammenwachsende Europa, von dem einst große Ideen ausgingen, war leider auch ein Kontinent, wo dramatische Konflikte entstanden, die globale Ausmaße hatten. Möge es heute durch die Fürsprache seiner Schutzheiligen zur Sicherung des Friedens beitragen, der sich auf die Respektierung der Menschenrechte und das Recht der Völker stützt.

9. An alle Gläubigen wenden wir uns mit der herzlichen Bitte um ein gebet während der Marien-Maiandachten. Bitten wir Gott, der reich an erbarmen ist, auf die Fürsprache Mariens, der Mutter der Barmherzigkeit und Königin des Friedens, um einen dauerhaften Frieden im Heiligen Land und in der ganzen Wlet.

  Die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe versammelt auf der 317. Vollversammlung der Polnischen Bischofskonferenz.

 

Warschau, den 30. April 2002

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